Ein Himmel voller Geigen

Am Freitag, dem 10. März 2023, war es so weit: nach der Coronazeit mit vielen Einschränkungen war uns endlich wieder ein Ausflug gegönnt, und wir machten uns nachmittags in zwei Gruppen à 12 Personen von Pliezhausen zu einem Besuch von Herrn Eberhard Thiessen auf, einem in Esslingen ansässigen Geigenbauer.

Seine Werkstatt betretend staunten unsere Streicherschüler über so viele Instrumente: Kleine Geigen, große Geigen, bemalte Geigen, Geigen mit ungewöhnlichen Formen und Aufsätzen, Celli, Kontrabässe, viele Bögen und Holzwerkzeug so weit das Auge reichte.

So ging es auch gleich mit Herrn Thiessens Einführung in den Instrumentenbau los. Ein kleiner Baumstamm mit gut erkennbaren Jahresringen stand vor uns. Um nun ein geeignetes Holzteil für ein Instrument zu erhalten, muss man dieses Stück auf eine bestimmte Weise zerschneiden. Wenn man den Durchschnitt betrachtet, zerteilt man diese Fläche der Länge nach in verschieden große Teile. Sowohl die Rinde als auch das innerste Kernholz müssen dabei entfernt werden. Schließlich erhält man längliche Holzteile, die auf der einen Seite breit sind und auf der anderen Seite dünn zulaufen, ähnlich wie ein Kuchenstück.

Solche zwei Hölzer drückte Herr Thiessen unseren Schülern in die Hand, die sie halten durften. Weil ein Holz aus Fichte bestand und das andere aus Ahorn, konnten man trotz gleicher Größe einen Gewichtsunterschied feststellen. Hölzer haben verschiedene Eigenarten und somit unterschiedliche Fähigkeiten zum Schwingen. Wenn bei einer fertigen Geige der Bogen die Saite anstreicht, versetzt er diese in Schwingung und diese Schwingung wiederum versetzt den aus Holz bestehenden Instrumentenkörper in Schwingung. Es entsteht ein Ton. Die Decke eines Instrumentes, also das, was für ein Publikum nach oben zeigt, besteht aus leicht schwingendem Fichtenholz. Der Boden ist aus Ahorn. Dies ist zwar das schwerere Holz, dafür ist es mit einer besonderen Musterung gekennzeichnet. Man nennt es geflammtes Holz, was wiederum sehr gut für die Schwingung ist.

Nach dem Zurechtsägen der geeigneten Hölzer, erhalten diese eine Aufzeichnung durch eine Schablone, gemäß derer der Geigenbauer sich der Form des entstehenden Instrumentes Stück für Stück annähert. Herr Thiessen zeigte uns ein Formbrett und erklärte uns wie anschließend ein Instrument daraus entsteht. Da gibt es 6 Klötze als Unterbau für die Zargen (die Ecken beim Streichinstrument), die ihrerseits wieder durch Hitze in Form gebracht werden. Dann kommt der Boden drauf, ein sogenanntes Zargenkreuz wird auf die Decke aufgeleimt und ebenfalls montiert.

Viele, viele Schritte sind notwendig um ein solches Instrument entstehen zu lassen. Man benötigt allerhand Werkzeuge. Alle Schüler durften einen Celloboden anfassen, der gerade „ausgestochen“ wurde, d.h. man konnte noch die Spuren sehen, die das Werkzeug hinterlässt. Herr Thiessen zeigt uns verschiedene Stemmeisen und Hobel unterschiedlichster Größen, die alle eines gemeinsam hatten: sie waren sehr, sehr scharf. Also Vorsicht mit den zarten Streicherfingern!

Wo gehobelt wird, fallen auch Späne. Diesen Satz konnte man hier ganz wörtlich nehmen, denn auf dem Boden befanden sich viel schwarze Späne. Das waren Späne eines abgezogenen Griffbretts, kleine Hobel von Ebenholz also.

Das alles ensteht in Handarbeit. Damit die Decke unterschiedliche Töne abstrahlen kann, ist der Instrumentenkörper oben dünner als unten und ist in sich gewölbt. Trotz allem Fingerspitzengefühl ist dafür aber eine große Genauigkeit erfordert. Eine Messuhr hilft dabei:

Ein Instrument benötigt auch eine Schnecke. Diese ist in verschiedenen Formen denkbar. Wir entdeckten sogar ein Instrument in seiner Werkstatt, welches die Form eines Kopfes hatte. Die Schnecke wird nach dem Grobschnitt durch eine Blechschablone tatsächlich rein nach Augenmaß angefertigt. Herr Thiessen zeigte uns das anhand von Fotos. Wie aus Zauberhand schält sich diese perfekte runde Form aus dem Holz.

Die Neugier war geweckt und viele Kinder stellten ihre Fragen. Mit viel Humor beantwortete Herr Thiessen diese mit seiner schwäbischen Baritonstimme. Wie lange muss ein Holz lagern, bevor es verarbeitet werden kann? -1,5 Jahre Trocknungszeit mindestens. Können auch Erwachsene auf kleinen Geigen spielen? –Ja! Er nahm die kleinste Geige zur Hand und fiedelte uns etwas vor. Wie wurden Sie Geigenbauer? – Er hat auch mal Geige gelernt und das Entstehen eines solchen Instruments hat ihn einfach interessiert. Und darf man eine Geige denn auch blau anmalen?? – Ja. Wenn man dem Leinöl einen entsprechenden Farbton beimischen würde, wäre auch das möglich. Theoretisch. Allerdings würde die Farbe nicht so lange halten.

Zum Abschluss durften wir verschiedene Bögen bewundern, sowohl barocke als auch moderne. Die Haare dafür hingen schön gebürstet und als Pferdeschwanz zusammengebunden an der Wand.

Mit viel Wissen angereichert durften wir nun die Werkstatt verlassen und wohlgelaunt unseren Heimweg antreten. Herzlichen Dank an dieser Stelle für diesen kurzweiligen Nachmittag!

Euer Streicherteam der Musikschule Pliezhausen (Kerstin Wengel, Anke Sosa, Martina Trost-Gelse und Nanae Wettstein)

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